Vergaberecht | EuGH: Zusatz oder gleichwertig nicht erforderlich, wenn sich bestimmtes Material zwangsläufig aus Auftragsgegenstand ergibt

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Der EuGH hat entschieden, dass der Auftraggeber gleichwertige Materialien nicht zulassen muss, wenn sich die Verwendung eines bestimmten Materials zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt (EuGH 16.1.2025, C-424/23, „DYKA Plastics“).

Sachverhalt

Ein Bieter ging gegen eine belgische (Bau-)Ausschreibung von Abwasserrohren vor, weil diese nur das Anbieten von Rohren aus Steinzeug erlaubte. Der Bieter wollte Kunststoffrohre anbieten und argumentierte, dass der Ausschluss gleichwertiger Alternativen den Wettbewerb unzulässig beschränke.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH bestätigte zwar grundsätzlich, dass technische Spezifikationen so gestaltet sein müssen, dass der Zugang zum Vergabeverfahren diskriminierungsfrei und wettbewerbsfreundlich bleibt. Sofern keine ungerechtfertigte Marktabschottung erfolgt, verfüge der Auftraggeber jedoch über einen weiten Ermessensspielraum. Technischen Spezifikationen müssen den öffentlichen Auftrag für den Wettbewerb öffnen und die Einreichung von Angeboten ermöglichen, die die Diversität der auf dem Markt vorhandenen technischen Lösungen widerspiegeln.

Ergibt sich jedoch aus dem Auftragsgegenstand zwingend die Verwendung eines bestimmten Materials, muss keine Öffnung für gleichwertige Alternativen erfolgen. Die Vorgabe eines konkreten Materials – ohne den Zusatz „oder gleichwertig“ – kann demnach zulässig sein, wenn nachweislich keine auf anderen technischen Lösungen basierende Alternative in Betracht kommt.

Hinweis für die Praxis

Mit dieser Entscheidung weicht der EuGH das (in Österreich in § 106 Abs 5 BVergG umgesetzte) Gebot auf, bei der Bezugnahme auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft, ein besonderes Verfahren oder eine bestimmte Produktion, oder auf Marken, Patente, Typen, stets gleichwertige Produkte zuzulassen (und in Bauausschreibungen typischerweise Bieterlücken für gleichwertige Produkte vorzusehen). Das Verfahren betraf zwar keine Produktbezeichnung, sondern ein Material, für den EuGH ist jedoch entscheidend, ob sich die Vorgabe zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt. Dies legt nahe, dass es auch Sachverhalte geben kann, bei denen Produktbezeichnungen ohne den Zusatz „oder gleichwertig“ zulässig sind, wenn keine andere technische Lösung möglich ist (zB bei der Erweiterung technischer Systeme).