Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung Aussagen zur Möglichkeit der Überschreitung des Maximalvolumens einer Rahmenvereinbarung gemacht und die Bekämpfbarkeit von Direktvergaben erleichtert. Bisher stand fest, dass Aufträge auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung nur bis zum festgelegten Maximalvolumen vergeben werden dürfen. Ist das Maximalvolumen ausgeschöpft, verliert die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung (EuGH 19.12.2018, C-216/17, Antitrust, EuGH 17.6.2021, C-23/20, Simonsen&Weel).
Jetzt hat der EuGH judiziert, dass das Maximalvolumen einer Rahmenvereinbarung überschritten werden darf, wenn die Überschreitung zu keiner wesentlichen Änderung der Rahmenvereinbarung führt (EuGH 14.7.2022, C-274/21, C-275/21, EPIC). Das war zwar schon zuvor systematisch ableitbar, die Klarstellung des EuGH bringt jedoch begrüßenswerte Rechtssicherheit.
Das Maximalvolumen ist somit keine harte Grenze, sondern kann überschritten werden, wenn damit keine nach § 365 BVergG wesentliche Vertragsänderung verbunden ist. Eine Überschreitung des Maximalvolumens ist daher zB dann zulässig, wenn
- sie bei Rahmenvereinbarungen über Lieferungen oder Dienstleistungen 10% des ursprünglichen Volumens und den EU-Schwellenwert nicht überschreitet (§ 365 Abs 3 Z 1 BVergG),
- sie bei Rahmenvereinbarungen über Bauleistungen 15% des ursprünglichen Volumens und den EU-Schwellenwert nicht überschreitet
(§ 365 Abs 3 Z 1 BVergG), - Zusatzleistungen bis zu 50% des ursprünglichen Volumens aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen vom bestehenden Rahmenvereinbarungspartner erbracht werden müssen (§ 365 Abs 3 Z 5 BVergG),
- aufgrund unvorhersehbarer Umstände Zusatzleistungen bis zu 50% des ursprünglichen Volumens erforderlich werden
(§ 365 Abs 3 Z 6 BVergG).
Da die Laufzeit der Rahmenvereinbarung nicht Gegenstand der EuGH-Entscheidung ist, müssen auch derartige Abrufe vor dem Auslaufen der Rahmenvereinbarung erfolgen; die Dauer der Leistungserbringung kann jedoch – wie auch sonst – über die Laufzeit der Rahmenvereinbarung hinausgehen.