EuGH: Nachträglicher Austausch notwendiger Subunternehmer zulässig

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Bekanntermaßen steht und fällt die Teilnahme eines Bewerbers bzw Bieters am Vergabeverfahren mit seiner Eignung. Bisher war klar, dass die Eignung zu dem für das jeweilige Verfahren gesetzlich festgelegten Zeitpunkt (§ 79 BVergG) vorliegen muss, also zB beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung. Fehlt dem Bieter zu diesem Zeitpunkt ein für die Eignung erforderlicher („notwendiger“) Subunternehmer, zB weil dem Bieter selbst eine Befugnis oder ein Referenzprojekt fehlt, fehlt dem Bieter auch die Eignung und das Angebot ist auszuscheiden – die Nachnennung eines Subunternehmers ist nicht möglich.

Der EuGH hat mit einer Entscheidung, die diese Rechtslage in Frage stellt (EuGH 6.10.2021, C-316/21, Vandekerckhove, online nur auf Französisch und Niederländisch abrufbar), für Aufregung gesorgt.

Der Sachverhalt

Der Anlassfall betraf ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Bauauftrages über die Instandsetzung von Gaszählern. Jeder Bieter musste drei geeignete Subunternehmer nennen; beim Bieter Monument Vandekerckhove stellte sich im Zuge der Angebotsprüfung heraus, dass nur einer dieser Subunternehmer die Eignungsanforderungen erfüllt. Der Auftraggeber hat das Angebot des Bieters daher ausgeschieden. Monument Vandekerckhove bekämpfte diese Entscheidung und machte geltend, dass sie die Möglichkeit bekommen hätte müssen, die ungeeigneten Subunternehmer zu ersetzen.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied, dass der Auftraggeber in einem solchen Fall verpflichtet ist, den Bieter aufzufordern, den nicht geeigneten Subunternehmer zu ersetzen. Dies wäre nach dem österreichischen Vergaberecht nicht möglich.

Die Entscheidung ist jedoch im Kontext des belgischen Vergaberechts zu lesen. Das belgische Vergaberecht hat beinahe wörtlich folgenden Satz aus Art 63 Abs 1 RL 2014/24/EU übernommen: „Der öffentliche Auftraggeber schreibt vor, dass der Wirtschaftsteilnehmer ein Unternehmen, das ein einschlägiges Eignungskriterium nicht erfüllt oder bei dem zwingende Ausschlussgründe vorliegen, ersetzt.“

Das vorliegende Gericht wollte vom EuGH wissen, ob der Auftraggeber verpflichtet ist oder die Möglichkeit hat, den Bieter zum Ersetzen des Subunternehmers aufzufordern. Der EuGH hat in seiner Entscheidung das bestätigt, was sich bereits bei wörtlicher Interpretation aus dem zitierten Satz der Richtlinie ergibt – dort steht nicht „kann vorschreiben“, sondern „schreibt vor“ (Rz 39). Weiter argumentiert der EuGH mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – ein Bieter, der sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen will, soll nicht von vornherein ausgeschlossen werden, weil diese Unternehmen die Eignungskriterien nicht erfüllen (Rz 41).

Abschließend weist der EuGH unter Verweis auf die Entscheidung vom 3.6.2021, C-210/20, Rad Service darauf hin, dass der Austausch des Subunternehmers nicht zu einer „wesentlichen Änderung“ des Angebotes führen darf. In jener Entscheidung hat es der EuGH abgelehnt, einen Bieter infolge der Falscherklärung eines Subunternehmers auszuscheiden, ohne ihm vorab die Möglichkeit des Subunternehmeraustausches zu geben. Auf die Frage, wann der Austausch eines Subunternehmers zu einer wesentlichen Änderung führt, geht der EuGH jedoch in keiner der beiden Entscheidungen ein.

Diese Entscheidung wirft die Frage nach der Richtlinienkonformität des § 79 BVergG auf: Wenn der Auftraggeber einen Bieter auffordern muss, einen nicht geeigneten Subunternehmer auszutauschen, dann reicht es aus, wenn die Eignung erst nach den gesetzlich definierten Zeitpunkten (Angebotsöffnung, Ablauf der Teilnahmefrist etc) vorliegt.

Auswirkung auf die Praxis

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass vor dem Ausscheiden eines Bieters wegen der mangelnden Eignung eines Subunternehmers zu prüfen ist, ob der Austausch dieses Subunternehmers eine wesentliche Änderung des Angebotes bedeuten würde. Dies wäre jedenfalls der Fall, wenn die Änderung Auswirkungen auf die Bewertung nach den Zuschlagskriterien hätte, zB wenn vom Subunternehmer gestelltes Schlüsselpersonal in die Angebotsbewertung mit einfließt. Bedeutet der Austausch keine wesentliche Änderung, hat der Auftraggeber dem Bieter Gelegenheit zum Austausch des Subunternehmers zu geben und den § 79 BVergG insoweit außer Acht zu lassen.